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Wie eröffne ich eine eigene Praxis?

Charlotte Schütz

Charlotte Schütz

19.6.2023
Update vom
18.10.2023

In diesem Artikel listen wir wertvolle Tips für die Eröffnung einer psychotherapeutischen Praxis auf. Es werden Informationen zu den Themen: relevante rechtliche Rahmenbedingungen, Anmietung von Praxisräumen, verschiedene Kooperationsformen jenseits der Einzelpraxis, Unterschiede zwischen Privat-, Kassenpraxen sowie halbem/ganzem Kassensitz bereitgestellt.

Lesedauer: ca.

12

Minuten

Welche besonderen Herausforderungen bringt die Tätigkeit in eigener Praxis mit sich?

Im Anschluss an einen zeitintensiven Ausbildungsweg besitzen approbierte Psychotherapeut:innen umfangreiche psychologische Fähigkeiten. Mit der Eröffnung einer eigenen Praxis kommen zum psychologischen Aufgabenfeld betriebswirtschaftliche Tätigkeiten hinzu, die in der bisherigen Ausbildung wenig bis gar keine Rolle gespielt haben. Die Herausforderung besteht darin, sich mit den unternehmerischen Aufgaben vertraut zu machen und gleichzeitig den therapeutischen Tätigkeiten nachzugehen.

Durch die Berufsordnung und die damit einhergehenden Pflichten gegenüber der Allgemeinheit, zielt die psychotherapeutische Arbeit nicht auf eine reine Gewinnoptimierung ab. Hinzuzufügen ist, dass sich Psychotherapeut:innen gemäß der Fortbildungsverpflichtung nach § 95d SGB V regelmäßig fortbilden müssen und innerhalb von 5 Jahren 250 Weiterbildungspunkte absolvieren müssen, bei Nichteinhaltung kommt es zu Honorarkürzungen bis hin zum Zulassungsentzug.  Anhand eines Fortbildungskontos bei der jeweiligen Psychptherapeutenkammer werden diese Punkte gesammelt. Das Mitglied ist selbst für die Beantragung des Zertifikates über die absolvierten 250 Punkte bei ihrer jeweiligen Kammer zuständig, welches er/sie im Anschluss bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einreicht. Weitere Pflichten ergeben sich gegenüber den Patient:innen unter anderem die Aufklärungs-, Schweige- und Dokumentationspflicht. Im Gegenzug genießen Psychotherapeut:innen steuerliche Privilegien wie eine Befreiung von der Mehrwert- und Gewerbesteuer hinsichtlich der Einkünfte aus therapeutischen Tätigkeiten.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sollten mir bekannt sein?

Wer eine eigene psychotherapeutische Praxis eröffnen möchte, sollte mit den hierfür relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut sein. Sie beinhalten inhaltliche und organisatorische Vorgaben, die bei der Gründung und Ausgestaltung der Praxis beachtet werden müssen. Die wichtigsten Gesetze sind das Heilberufsgesetz des Bundeslandes, das Psychotherapeutengesetz (PsychTHG), das Wettbewerbsrecht (UWG, HWG) sowie der Zivilrechtliche Behandlungsvertrag (§§ 630a ff. BGB) und die Psychotherapie-Richtlinien. Darüber hinaus stellt die Berufsordnung die Grundlage der praktischen Tätigkeit dar, indem sie das berufswürdige Verhalten der Psychotherapeut:innen gegenüber ihren Patient:innen, Kolleg:innnen, der Öffentlichkeit und Partner:innen im Gesundheitswesen regelt. Weitere Satzungen und Ordnungen der Kammer sind ebenfalls zu befolgen.

Wer sich in diesen Bereichen eine gute Übersicht verschafft, hat die wichtigsten Rahmenbedingungen für die eigene Praxiseröffnung abgedeckt.

Welche Kooperationsformen für gemeinsame Praxen gibt es?

Der Großteil der ambulant tätigen Psychotherapeut:innen ist in Einzelpraxen tätig. Zur Berufsausübung dürfen sie auch mit anderen Psychotherapeut:innen oder Berufsgruppen aus dem Gesundheits- und Beratungsbereich kooperieren, solange es sich um rechtlich zulässige Ausgestaltungen handelt. Als Kooperationsform ist zwischen einer Praxengemeinschaft und einer Gemeinschaftspraxis zu unterscheiden, diese sind der zuständigen Kammer mitzuteilen.  

Eine Praxengemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sich zwei oder mehrere Praxen zusammenschließen und eine Organisationsgemeinschaft bilden. Dieser Zusammenschluss dient der gemeinsamen Nutzung und/oder Anschaffung von Räumlichkeiten, Praxiseinrichtung sowie der Beschäftigung von Personal. Die Behandlungen, werden durch die Einzelpraxen und nicht im Rahmen der Praxengemeinschaft erbracht. Jede Praxis führt ihren eigenen Pratient:innenstamm, sie sind zulassungsrechtlich und abrechnungstechnisch eigenständig. Dadurch wird eine gemeinsame Haftung der Praxen ausgeschlossen, gleichzeitig ist die Schweigepflicht zwischen den Mitgliedern der Praxengemeinschaft einzuhalten. Diese Kooperationsform wird auch als Kostenteilungsgemeinschaft bezeichnet, bei der in der Regel ein Gesamthandvermögen gebildet wird, welches ein gemeinsames Vermögen darstellt, wobei jede Partei über einen Anteil verfügen kann. Juristisch gesehen handelt es sich bei einer Praxengemeinschaft um eine Gemeinschaft bürgerlichen Rechts (GbR), um der individuellen Zusammenarbeit gerecht zu werden, sollten jedoch Einzelheiten in einem Vertrag festgehalten werden.

Im Gegensatz dazu wird innerhalb einer Gemeinschaftspraxis/Berufsausübungsgemeinschaft die Zulassung geteilt, demnach wird neben der gemeinsamen Nutzung von Praxisräumen, -einrichtung und Personal ebenfalls die Heilkunde zusammen ausgeübt. Die Gemeinschaftspraxis ist ein einheitlicher Vertragspartner gegenüber den Patient:innen, es werden Behandlungsverträge zwischen allen Mitgliedern der Gemeinschaftspraxis und den Patient:innen vereinbart. In dieser Kooperationsform entsteht eine gemeinschaftliche Haftung, als juristische Formen können sie entweder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder als Partnerschaftsgesellschaft (PartGG) geführt werden. Für die Eröffnung einer Gemeinschaftspraxis ist eine Genehmigung des zuständigen Zulassungsausschusses erforderlich. Darüber hinaus ist es möglich, die Gemeinschaftspraxis an verschiedenen Standorten zu betreiben.

Soll ich eine Privatpraxis oder eine Kassenpraxis eröffnen?

Mit der Approbation erhält man die Zulassung der Heilkundeausübung und darf im Rahmen der Niederlassungsfreiheit in ganz Deutschland eine psychotherapeutische Praxis eröffnen. Dabei sind Praxen mit einer Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung (“Kassensitze”) an Planungsbereiche gekoppelt, während Privatpraxen unabhängig davon agieren.

Wer sich mit den Kassensitzen beschäftigt hat weiß, dass es nur eine begrenzte Anzahl an Zulassungen gibt und die Kaufpreise mitunter enorm sind. Gerade für Berufseinsteiger:innen kann dieser Aspekt abschreckend wirken, der Vorteil eines Kassensitzes ist jedoch die Sicherheit, welche sich durch die Abrechnung mit der KV sowie die hohe Nachfrage seitens Patient:innen ergibt. Gleichzeitig kommt es durch die Zunahme an Kontrollen und Vorschriften der KV zu einer Aufgabe von Freiheitsgraden, weshalb sich manche Psychotherapeut:innen neben der Tätigkeit in der Regelversorgung ein zweites berufliches Standbein aufbauen. Beispiele für andere Tätigkeiten sind: Arbeit in einer Privatpraxis, Psychodiagnostik, Prävention, Rehabilitation, oder auch nicht-klinische Tätigkeiten, wie Supervision, Lehrtätigkeiten, Coaching, Ehe- und Familienberatung oder Mediation. Hierbei sind juristische und steuerliche Unterschiede zu beachten.

Im Vergleich dazu genießen Psychotherapeut:innen innerhalb einer Privatpraxis viele Freiheiten. Sie können in der Regel drei Gruppen von Patient:innen behandeln: Privatversicherte, gesetzlich Versicherte, wenn diese keinen Therapieplatz finden oder deren Wartezeiten eine unzumutbare Zeit von über drei Monaten betragen würde, und Selbstzahler:innen. Hinsichtlich der Selbstzahler:innen stellen sich die Fragen nach der Zuverlässigkeit der Zahlungen und welche Summen sie insgesamt bezahlen können. Über diese drei Gruppen hinaus ist es möglich, Behandlungen von Beihilfeberechtigten abzurechnen. Außerdem gibt es teilweise Sonderverträge, beispielsweise für Angehörige der Bundespolizei oder Bundeswehr sowie Nachsorgeprogramme der Deutschen Rentenversicherung, für welche die Kosten erstattet werden. Durch die eingeschränkten Patient:innengruppen sind Psychotherapeut:innen in privater Praxis auf Mundpropaganda sowie Netzwerke mit potenziellen Zuweiser:innen von Patient:innen (beispielsweise Ärzt:innen, Kolleg:innen mit Kassenzulassung in der näheren Umgebung) angewiesen. Um eine ausreichende Nachfrage zu haben, sollten sie sich insbesondere hinsichtlich der Standortwahl ausreichend Gedanken machen. Dabei sind infrastrukturelle Anbindung, das Klientel sowie das darauf abgestimmte Praxisdesign zu beachten.

Für welche Form sich entscheiden wird, hängt letztlich von finanziellen Möglichkeiten und den individuellen Bedürfnissen nach Freiheit/Sicherheit ab.

Wie unterscheiden sich ein halber und ganzer Kassensitz voneinander?

Beim Erwerb eines Kassensitzes, welcher im Rahmen der Kostenerstattung mit der KV abrechnungsfähig ist, ist zu überlegen, in welchem Ausmaß man diesen auslasten möchte. Diese Überlegungen können einem bei der Entscheidung helfen, ob ein halber oder ganzer Versorgungsauftrag erworben werden soll. Bei einem hälftigen Versorgungsauftrag sind eine wöchentliche Teilnahmepflicht von 12,5 Stunden Präsenz, 160 Minuten telefonische Erreichbarkeit und 50 Minuten psychotherapeutische Sprechstunde vorgeschrieben, im Quartalsprofil dürfen 390 Stunden nicht überschritten werden. Ein ganzer Versorgungsauftrag zeichnet sich dadurch aus, dass die wöchentliche Teilnahmepflicht 25 Stunden beträgt, 320 Minuten telefonische Erreichbarkeit und 100 Minuten psychotherapeutische Sprechstunde gewährleistet werden muss. Im Quartalsprofil liegt die zeitliche Obergrenze bei 780 Stunden.

Seit 2019 ist es möglich, eine volle Zulassung auf ¾ zu reduzieren, allerdings müssen Psychotherapeut:innen, die den freigewordenen ¼ Kassensitz übernehmen wollen, bereits über einen hälftigen verfügen, da eine Zulassung eines ¼ Sitzes nicht möglich ist.

Um einen Kassensitz zu erwerben, lässt man sich im Anschluss an die Approbation auf die Warteliste des jeweiligen Planungsbereichs setzen.

Was ist bei der Anmietung der Räumlichkeiten beachten?

Handelt es sich nicht um eine Praxisübernahme, müssen zur Eröffnung der eigenen Praxis geeignete Räumlichkeiten gefunden werden. Bei der Anmietung ist darauf zu achten, dass ein Mietvertrag über Gewerberäume abgeschlossen wird, da sich das Mietrecht zwischen Privat- und Gewerberäumen unterscheidet. Räumlichkeiten als Wohnräume anzumieten und gewerblich zu nutzen, ist untersagt. Mustermietverträge sind bei einigen Industrie- und Handelskammern kostenfrei erhältlich.

Wurde die Wohnung vor der Anmietung als Wohnraum genutzt, ist darauf zu achten, dass die zuständige Baubehörde durch den/die Vermieter:in kontaktiert wird, da baurechtlich relevante Nutzungsänderungen beachtet werden müssen. In manchen Fällen sind auch Genehmigungs- und Kenntnisgabeverfahren nötig. Zudem sollten die Bestimmungen der Landesbauordnung und im Falle angestellter Mitarbeiter:innen auch die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) beachtet werden.

Die beschriebenen Aspekte sind auch zu berücksichtigen, wenn die Praxisräume in der Eigentumswohnung oder dem Eigenheim untergebracht sind. Hier ist vor allem eine strenge Trennung der privaten und beruflich genutzten Räumlichkeiten vorzuweisen.  

Die Größe und Gestaltung der Räumlichkeiten obliegt der Psychotherapeut:innen, laut Berufsordnung ist allerdings darauf zu achten, dass eine gewissenhafte, professionelle und das Ansehen des Berufsstands wahrende Tätigkeit ausgeübt wird.

Idealerweise umfasst die Praxis mehrere, wenig hellhörige Räume, sodass es ein Wartezimmer, Behandlungsräume, Toiletten und einen Büro und Archivraum sowie ggf. einen Aufenthaltsraum oder (Tee-)Küche für Angestellte geben kann. Darüber hinaus ist es ratsam auf eine Barrierefreiheit zu achten.

Unser Fazit

Bei der Eröffnung einer eigenen Praxis stellt der Spagat zwischen unternehmerischer und therapeutischer Tätigkeit die größte Herausforderung dar. Ein guter Überblick über die relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen und die Berufsordnung sind unumgänglich. Das eingehen einer Kooperation mit Kolleg:innen oder Mitgliedern anderer Berufsgruppen sollte gut geplant werden.  Hier ist entweder eine Praxengemeinschaft oder eine Gemeinschaftspraxis/Berufsausübungsgemeinschaftmöglich. Die Arbeit in einer Kassenpraxis unterscheidet sich insbesondere in der Abrechnung und auch den Pflichten und Freiheitsgraden von der Arbeit in einer Privatpraxis. Für halbe und ganze Kassenzulassungen gibt es unterschiedliche Rahmenbedingungen hinsichtlich der Präsenzzeiten.

Bei der Anmietung der Räumlichkeiten sind vor allem mietrechtliche Aspekte zu berücksichtigen, die Gestaltung der Praxisräume sollte dem Berufsstand gerecht werden.

In diesem Artikel listen wir wertvolle Tips für die Eröffnung einer psychotherapeutischen Praxis auf. Es werden Informationen zu den Themen: relevante rechtliche Rahmenbedingungen, Anmietung von Praxisräumen, verschiedene Kooperationsformen jenseits der Einzelpraxis, Unterschiede zwischen Privat-, Kassenpraxen sowie halbem/ganzem Kassensitz bereitgestellt.

Quellen:

https://www.lpk-rlp.de/fileadmin/user_upload/LPK_Broschuere_zur_Praxisgruendung_FINALE_DOWNLOAD-DATEI.pdf

https://www.aerzteblatt.de/archiv/182843/Psychotherapiepraxis-als-Unternehmen-Ein-vielfaeltiges-Spannungsfeld

https://psylife.de/magazin/psychotherapie/private-psychotherapiepraxis

https://www.dgvt-bv.de/news-details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=3285&cHash=45678bbaf0de5939dfc3205dcfce6a63

https://www.kbv.de/html/fortbildung.php

Autor:in

Charlotte Schütz

Ich bin Psychologin und Psychotherapeutin i. A. in Köln. Mein Psychologiestudium habe ich an der Johannes-Gutenberg Universität Mainz absolviert. Neben meiner psychotherapeutischen Arbeit bin ich bei Elona Health im Bereich Content und Magazin tätig.

Wissenschaftlich fundiert

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Psychologisch-medizinisch überprüft durch:

Prof. Dr. Peter Neudeck

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